Ab in den Osten

Corona bestimmt die Reiserouten 2020. Das sollte aber nicht der Grund unserer Deutschlandtour sein, vielmehr wollten wir mehr das eigne Land kennen lernen. 35% der Deutschen machen in diesem Jahr im eigenen Land Urlaub, wir machen mit. Seit Jahren tingeln wir durch die ganze Welt, befassen uns mit fremden Kulturen, bewundern historische Gebäude und bestaunen Sehenswürdigkeiten und erforschen die Natur. Meist lassen wir die vielen Schätze ausser acht, die direkt vor der Haustüre und im eigenen Land nur darauf warten bestaunt zu werden. 

Woran liegt es? Vielleicht am Fernweh, richtig „Reisen“ und „Urlaub machen“ heißt weiße Strände, Wellen, Meer, kulinarische Besonderheiten und fremde Kulturen. Vielleicht liegt es aber auch an der deutschen Mentalität, der eher ein spießiger Lebensstil ohne südländische, lockere Lebensart nachgesagt wird. Wir sind einfach so und suchen nach dem Gegenteil, dem lockeren Leben, nach „la dolce vita“ und wollen die Seele baumeln lassen. 

Was erwarten wir von unserer 10-tägigen Reise gen Osten?

Eine Bekannte, geboren im Osten, erzählt von den leckeren Spreewaldgurken und dem köstlichen Leinöl, das wir unbedingt kaufen müssen. Juhu, danach haben wir uns schon immer gesehnt!

Die Erwartungen sind ganz nach unten geschraubt. Mike kann Gurken nicht ausstehen, also steht der Spreewald auf dem Plan, vielleicht überwindet er dort seine Abneigung. Auf dem Weg in Richtung Dresden geht es zum Klettern in die Fränkische Schweiz, in Lauf an der Pegnitz lädt das hübsche Fachwerk-Städtchen zum kostenlosen Stelldichein, dazu gibt es ein gepflegtes Abendessen, Scheufele, Sauerbraten, eine Schaufel Mist und Kaninchenkeule, ordentlich Fleisch unter einem vegetarischen Gericht auf der Karte. Wir wissen bereits, dass Dresden eine tolle Stadt ist, also wird hier ein Stopp am altstadtnahem Wohnmobilstellplatz (15 €/24h) eingelegt. Wir sind begeistert, am Abend geht es zum Altmarktkeller, traditionelle Gerichte, wie Matjes, Schweinshaxen und Schnitzel belohnen uns für eine anstrengende Fahrt bei 35° C. Ein Abendspaziergang durch Dresden überzeugt uns, dass ein Tag nicht reicht um den Zwinger, die Staatliche Kunstsammlung, das Albertinum und die Frauenkirche zu besichtigen. Am nächsten Tag geht es zum zweiten Rundgang, leider bekommen wir keine Karten für das historische grüne Gewölbe, die Frauenkirche ist geschlossen und die Hitze macht uns zu schaffen. Was bleibt ist ein wirklich toller Eindruck vom prächtigen Dresden und der Wunsch zu einer kühleren Jahreszeit noch einmal wiederzukommen. 

Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass wir immer noch nicht ganz überzeugt von dem Plan sind, im eigenen Land Urlaub zu machen. So schieben wir unsere Nachlässigkeit, dass wir keine Verbindung zum Home-Server haben und Mike noch einmal ins Büro nach München muss auf unsere fehlende Motivation. Als dann noch der Bremsschlauch undicht ist und die Kreditkarte plötzlich verschwunden, glauben wir an Geisterbeschwörung. Aber wir lassen uns auf keinen Fall unterkriegen. Das richtige Tape und genau hinschauen hilft uns weiter zur nächsten Etappe, alles wird gut! 

Neugierig geht die Reise weiter, ca. 200 km in Richtung Berlin oder doch in die Tropen? Den Spreewald lassen wir leicht hinter uns und steuern den Naturpark Dahme-Heideseen an. Vorsichtshalber haben wir einen Platz auf dem Natur-Campingplatz mit dem einladenden Namen D66 für 2 Tage vorher schon gebucht. In Sachsen sind auch noch Ferien und ein paar Test-Anrufe bei Campingplätzen haben ergeben, dass alles Voll ist. Man meinte aber auch sehr nett dass man überall eine Nacht stehen bleiben kann, man darf halt keine Stühle rausstellen. Beim Begriff „Naturcamping“ sind wir ebenfalls misstrauisch, wir wissen ja, die „Ossis“ lieben FKK, darauf haben wir weniger Lust. Wir werden sehen, wo wir landen.

Die Fahrt geht durch dichte Pinienwälder, vorbei an zahlreichen Seen, bis wir am Schmöldesee landen, einem recht einsamen Ort mitten im Grünen. Kein Restaurant und keine Einkaufsmöglichkeit weit und breit. Dafür endlose Wasserstraßen, die wir mit Kanu und SUP abpaddeln. Wir genießen die zwei Tage, grillen und chillen um dann weiter nach Potsdam zu tingeln, das Schloss Sanssouci mit dem Fahrrad erobern und einen Tag auf einem netten Bötchen die Wasserstraßen und Seen in Richtung Berlin am Wannsee vorbei erkunden.

Hier sieht man eine Menge Prunk und Reichtum an den Seegrundstücken, sehr schöne Flecken in der Natur und nahe der Hauptstadt. Am Campingplatz Sanssouci ist man auf Tourismus eingestellt, alles läuft nach Plan, das Restaurant ist völlig überteuert, die Stimmung aber völlig entspannt. 

Die aussergewöhnlichste Begrüßung seit wir auf Reisen sind erwartet uns: „Willkommen, machen Sie sich keine Sorgen, der Tote von Gestern hat überlebt“. Angekommen am Stellplatz Plötzensee, in unmittelbarer Nähe des Zentrums von Berlin. Am ehemaligen Jagdgrundstück der Adligen hatte vor einem Jahr ein nettes Pärchen die Idee, das alte Seebad mit jungem Charme zu einer hippen Bade- und Event-Location zu machen. Der Stellplatz ist der Hit, wenn einem eine kalte Dusche und mäßig saubere Toiletten nichts ausmachen. Dafür kann man direkt vor der Landeshauptstadt ins Wasser hüpfen, hat ein nettes Strandkaffee, Bars und Pizza ums Eck. Wird mit Konzerten im Sandstrand von einer netten Hippie-Gesellschaft willkommen geheißen. In 20 Minuten ist man am Reichstag, kann in den zahlreichen Vintage-Läden shoppen und ein bisschen Berliner Flair schnuppern. Abends lecker essen und den letzten Drink zuhause an der Strandbar genießen. Es gab auch keinen weiteren Toten mehr unter den Lebenden und in Berlin gibt es immer etwas zu entdecken, zumal es so anders ist als München.

Fazit zu unserer Deutschlandreise:

  • mehr Zeit nehmen, es gibt noch so viel zu entdecken
  • ohne Erwartungen losfahren, dann ist man umso mehr von der freundlichen und herzlichen Art eingenommen
  • die Liebe zu FKK hat sich bewahrheitet, allerdings sind die Bereiche immer getrennt oder ausgewiesen
  • zur Ferienzeit ist viel los, also besser anreisen wenn in den meisten Bundesländern die Ferien rum sind
  • eine mehrtätige Touren per Boot oder Floß mit einbauen
  • die Natur ist wunderbar, weitläufig und unberührt
  • keine Sprachbarriere 🙂
  • leider ist das Wasser trotz der guten Qualität immer braun
  • Ostdeutschland, es gibt noch viel zu entdecken